Lernen von Habakkuk

Habakkuk war ein Zeitgenosse Jeremias und bekam so eine der kritischsten Phasen mit, in der Juda steckte. Die Hoch-Zeiten nach den Reformen Josias waren vorbei und stattdessen ist die Rechtsordnung völlig kollabiert. Ungerechtigkeiten waren an der Tagesordnung und das die Armen wurden gewaltsam unterdrückt und ringsum herrschte Krieg. …Angst vor Babylon.

Aus Habakkuk kennen wir in der Regel eine Stelle, die „Anleitung prophetisch zu hören“. Aber was gibt es ringsum?

Das Buch Habakkuk ist ein untypischer „kleiner“ Prophet. …die anderen Bücher berichten immer von dem, was Gott Gewaltiges vorhat und in Existenz bringen wird. Aber ist das hier auch so?
Durch „Zufall“ war ich auf die Facebook-Seite von Craig Groeschel gestoßen. Er hat ein Buch veröffentlicht: Hope in the Dark – worin er Habakkuk zum Vorbild nimmt. In einem kurzen Video hörte ich ihn den Gedanken weitergeben, dass Habakkuk „umarmen“ und „kämpfen/ringen“ heißt. Als ich am Montagmorgen Habakkuk las, war ich fasziniert.

Die Ausgangslage:
Habakkuk gefällt nicht was er sieht. …was er sieht! Habakkuk gilt ja als Prophet, als Seher. Was er sieht ist also wichtig. Er lebt gewissermaßen von dem was er sieht.
Doch wenn er um sich blickt, sieht er nur Unrecht und Gewalt. Aber darin bleibt er nicht stecken und verzettelt sich…
„Wie lange, Herr, rufe ich schon um Hilfe, und du hörst nicht! Wie lange schreie ich zu dir: Gewalttat! – doch du rettest nicht? Warum lässt du mich Unrecht sehen und schaust dem Verderben zu, sodass Verwüstung und Gewalttat vor mir sind, Streit entsteht und Zank sich erhebt? Darum erstirbt die Weisung, das Gesetz und Recht sind kraftlos. Denn der Gottlose kreist den Gerechten ein; darum kommt ein verdrehtes Recht heraus.“

Was mich hier fasziniert? Habakkuk macht deutlich, dass er nicht erst seit heute und gestern dran ist für sein Volk einzustehen. …wie lange schon… und trotzdem bleibt er dran. Er ist echt und leidenschaftlich und konfrontiert Gott mit dieser offensichtlichen Passivität!!
Und letztlich geht es ihm um das Wesen Gottes – er ist Gerechtigkeit und nicht Ungerechtigkeit. Wenn also Ungerechtigkeit herrscht, welches Licht wirft das dann auf Gott? Was er sah und was er über Gott wusste, passte nicht zusammen.

Und Gott antwortet ihm dann – wenn auch nicht so wie gewünscht. Er kündigt die Invasion der Babylonier an: „Seht euch um unter den Nationen und schaut zu und stutzt, ja, staunt! Denn ich wirke ein Werk in euren Tagen – ihr glaubtet es nicht, wenn es erzählt würde. Denn siehe, ich lasse die Chaldäer erstehen, die grimmige und ungestüme Nation, die die Weiten der Erde durchzieht, um Wohnplätze in Besitz zu nehmen, die ihr nicht gehören. Schrecklich und furchtbar ist sie. Von ihr selbst gehen ihr Recht und ihre Hoheit aus. … Ihre Front strebt unaufhaltsam vorwärts, und Gefangene rafft sie zusammen wie Sand. Mit den Königen treibt sie ihren Spott, und Fürsten sind ihr ein Gelächter…“
Habakkuk könnte sich jetzt zurückziehen: „Ich hab genug gehört! Statt besser, wird es schlechter…!“ Vor lauter Unverständnis, könnte er sich abwenden. Aber Habakkuk hält nicht zurück. Das macht er aber nicht:
„Bist du nicht von alters her, HERR, mein Gott, mein Heiliger? Wir werden nicht sterben?! HERR, du hast sie zum Gericht eingesetzt und, Fels, zum Züchtigen sie bestimmt. Du hast zu reine Augen, um Böses mitansehen zu können, und Verderben vermagst du nicht anzuschauen.
Warum schaust du dann den Räubern zu, schweigst, wenn der Gottlose den verschlingt, der gerechter ist als er? …“

Vielleicht sogar etwas trotzig und auf jeden Fall bestimmt. Aber er lässt das Negative nicht so stehen. Dadurch werden Kapazitäten frei wieder zu hören, hören zu wollen, zu warten und zu empfangen.
…es ist hart jemanden zu lieben – selbst wenn es der Schöpfer des Universums ist – wenn wir ihm etwas vorwerfen und unsere wahren Gefühle verbergen.
Und dann schließt das häufig zitierte an: „Auf meinen Posten will ich treten und auf den Wall mich stellen und will spähen, um zu sehen, was er mit mir reden wird und was für eine Antwort ich auf meine Klage erhalte.“
Es ist ihm völlig klar DAS Gott etwas DAZU sagen wird. Und obwohl sich seine Situation nicht verändert hat, Gott sein Verhalten sozusagen nicht geändert hat, so ist ihm klar, dass Gott sein WESEN nicht verändert hat. …deswegen wird er etwas dazu sagen…

So machte er sich auf den Weg, ihm entgegen, schaltet alle Reize ringsum aus und begibt sich in Empfangsmodus. Er WILL hören! Er entscheidet sich, dass ihn die Situation nicht zu sehr überwältigt um zu hören…

Ist doch faszinierend! Habakkuk steckt mitten in den großen Fragen und Zweifeln des Lebens. Sieht kein Land mehr, keine Hoffnung. Nur Ungerechtigkeit und das Gegenteil von dem was da mal hervorkommen sollte. Er ist bewegt von dem Schmerz dessen was er sieht und fühlt, Hoffnung fehlt.

Ehrliche Fragen, ehrliche Zweifel und tiefe Verletzungen können uns näher zu Gott bringen als wir je zuvor waren. Problematisch ist aber, dass der Schmerz des Momentes häufig schreit, während die Hoffnung für die Zukunft dann oft nur leise flüstert.
Die Chinesen haben kein Wort für Krise, sie nutzen stattdessen eines von zwei Worten: entweder Gefahr oder Gelegenheit. Ich denke die Gefahr ist, dass wir verbergen was es mit uns macht, …
Die Gelegenheit: rennen wir zu Gott hin und ringen vielleicht mit ihm
Craig Groeschel schreibt: „Manchmal denke ich, wir fürchten uns nicht so sehr unsere Fragen auszudrücken, weil wir besorgt darüber sind, was Gott darauf antwortet, sondern mehr, weil wir besorgt sind um uns selbst. Wir fürchten uns zuzugeben, das wir fühlen… Und wir befürchten, dass unser Glaube Schiffbruch erleidet, wenn wir zugeben, wie wir wirklich fühlen. Aber das Gegenteil ist wahr. Wenn wir den Schmerz dessen was wir erleben unterdrücken, es runterspielen und verleugnen, dass unser Glaube so hart und brüchig wird, das er zerbricht.
Vielleicht erklärt das, warum wir, wenn wir in ein Tal rutschen, versuchen, wieder auf den Berggipfel zu kommen. Wir wollen die Nähe zu Gott, die wir einmal hatten. Aber verleugnen dabei, dass Dinge so sind, wie sie sind. …das ist, als ob wir versuchen eine Sanddüne hinauf zu rennen.“

Wenn wir hier zurückschauen auf die Bedeutung des Namens Habakkuk – ringen und umarmen, dann bekommen wir eine Vorstellung davon, was hier gemeint ist. Es ist wie eine die Art von Umarmung, in der du dich gleichzeitig festklammerst, und dich wegdrückst.
(Erinnert auch an Jakob – er macht sich auf den Weg – zurück in sein Tal – und unterwegs so heißt es, begegnet er einem Engel Gottes und er ringt mit ihm – und hinterher hat er zwar eine Verletzung, aber auch seine wahre Identität und ist ein gesegneter!!)
Der Schmerz dessen was du siehst und fühlst…und die Hoffnung, dass Gott immer noch bei und mit dir ist.

Aber Gefahr oder Gelegenheit…wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Gott unseren Schmerz versteht, wer wenn nicht er. Und was wichtiger ist, unsere Fragen sind willkommen. Es ist ihm lieber, wenn wir ihn anschreien, anstatt dass wir unsere Beziehung zu ihm in eisiges Schweigen hüllen. Selbst wenn es nur ein „kleiner“ Bereich ist. Es beeinflusst doch.
„Und der HERR erwiderte mir und sprach: Schreib die Vision auf, und zwar deutlich auf die Tafeln, damit man es geläufig lesen kann. Denn die Vision gilt erst für die festgesetzte Zeit, und sie strebt auf das Ende hin und lügt nicht. Wenn sie sich verzögert, warte darauf; denn kommen wird sie, sie wird nicht ausbleiben. Siehe, die verdiente Strafe für den, der nicht aufrichtig ist! Der Gerecht aber wird durch seinen Glauben leben. Wie viel weniger wird der Gewalttätige, der Treulose, der anmaßende Mann zum Ziel kommen, er, der seinen Schlund weit aufsperrt wie der Scheol und der wie der Tod ist und nie sich satt frisst! …
Wehe den Habgierigen,
Wehe den Selbstgefälligen,
Wehe den Gewalttätigen,
Wehe den Schamlosen,
Wehe den Götzendienern“
Gott ist wirklich in rage – „Weh dem, der zum Holz sagt: Wache auf!, zum schweigenden Stein: Erwache! Der sollte wahrsagen? Gewiss, er ist mit Gold und Silber überzogen, doch fehlt seinem Inneren jeglicher Odem.
Der HERR aber ist in seinem heiligen Palast. Schweige vor ihm, die ganze Erde!“
…

Dann wieder Habakkuk: „HERR, ich habe deine Botschaft vernommen. Ich habe, HERR, dein Werk gesehen. Inmitten der Jahre verwirkliche es, inmitten der Jahre mache es offenbar! Im Zorn gedenke des ERBARMENS!
…Seine HOHEIT bedeckt den Himmel, und sein Ruhm erfüllt die Erde.
Da entsteht ein Glanz, dem LICHT gleich, Strahlen ihm zur Seite, und in ihnen verbirgt sich seine MACHT.
…Er tritt auf und erschüttert die Erde, er schaut hin und lässt Nationen auffahren. Es bersten die ewigen Berge, es senken sich die ewigen Hügel.
…Bei deinem Anblick erbeben die Berge, Gewitterregen zieht heran, die tiefe lässt ihre Stimme erschallen.
…Du bist ausgezogen zur RETTUNG deines Volkes, zur Rettung deines Gesalbten. Du hast den First herabgeschmettert vom Haus des Gottlosen, den Grund bis auf den Felsen bloßgelegt.
…Jetzt will ich auf den Tag der Bedrängnis warten, dass er heraufkomme gegen das Volk, das uns angreift.
Denn der Feigenbaum blüht nicht, und an den Reben ist kein Ertrag. Der Ölbaum versagt seine Leistung, und die Terrassengärten bringen keine Nahrung hervor. Die Schafe sind aus der Hürde verschwunden, und kein Rind ist in den Ställen. –
Ich aber, ich will in dem HERRN jubeln, will jauchzen über den Gott meines Heils.
Der HERR, der Herr, ist meine Kraft. Den Hirschen gleich macht er meine Füße, und über meine Höhen lässt er mich einherschreiten.“

Was ich von Habakkuk lernen kann: er hat verstanden, dass man Gott ehrliche Fragen stellen kann und dennoch ihm und seinem Wort vertrauen kann. Vielleicht begann Habakkuks Prozess stärkeren Glauben aufzubauen einfach durch seine Bereitschaft, den Elefanten, der da im Raum rumtrappelte, beim Namen zu nennen.

Darüber sollten wir nachdenken: wir können echten Glauben an Gott haben, selbst wenn wir mit Gott um unbeantwortete Fragen ringen. Gott ist groß genug, dass er damit umgehen kann. Und er liebt uns und ist geduldig genug mit uns.

Und wenn ich Habakkuks Stimmung so anschaue, dann scheint das lebensspendend zu sein. Auf die ganz bekannte Passage möchte ich heute nicht weiter eingehen obwohl da sicher ganz viele Punkte drin sind. Craig Groeschel stellt zum Beispiel fest, dass es den Glauben mehr als nur auferbaut lesen zu können, was Gott da konkret zu dir gesprochen hat (will ja auch häufig gestohlen werden) und zeigt, wieviel der Kämpfe die du schon durchlebt hast, erfolgreich überstanden sind…
Aber mittendrin ist da noch der Vers: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“ …so häufig zitiert. Wenn ich von Habakkuk lerne, dann ist es vor allem der Glaube an Gottes Art, an sein Wesen. Wir kennen diesen Vers aus der Anwendung – spezifischer Glaube für etwas… aber es geht darüber hinaus.

...Psalm 5, den ich zu Einstieg des Gottesdienstes zitiert habe, wird im neuen Quartalsplan in der Rubrik für Übersetzungen aus der Passion Translation auftauchen - ihr braucht es euch also nicht ausdrucken um es in Händen zu haben.

Ich füge es hier nochmal ein - mit ein paar Versen voran. ...auch hier ist der ganze Psalm spannend - der Psalmautor stellt ziemlich ähnliche Fragen wie Habakkuk - und auch er umarmt wohl das Wesen Gottes und nimmt daraus seine Stärke...

Psalm 5, 7-8 + 11-12 - Das Lied des bewölkten Morgens:
Aber ich weiß, dass du mich in deinem Haus willkommen heißt, denn ich bin durch den Bund der Barmherzigkeit und Liebe bedeckt. So komme ich mit tiefster Ehrfurcht in dein Heiligtum, beuge mich im Lobpreis und bete dich an.
Yahwe, du leitest mich auf den Wegen deines Wohlgefallens – genau so, wie du es mir versprochen hast, sonst würden meine Feinde mich überwältigen. Ebene vor mir deinen Weg, gerade und gangbar, auf dass ich weiß, wo ich gehe.
…
Aber lass sie alle froh sein, die die sich umwenden um sich in dir zu bergen. Mögen sie für immer voll Freude sein! Überschatte sie in deiner Gegenwart, während sie singen und sich freuen. Herr, wie wunderbar segnest du die Gerechten. Du umhüllst jeden einzelnen mit deiner Gunst und bedeckst sie mit deinem Baldachin der Freundlichkeit/Güte und Freude.